Sonntag, 30. April 2017

Stoffspielereien: Ein zerschnittener Gobelin

Auf der Suche nach Inspirationen für Suschnas Stoffspielereien zum Thema seltene Techniken habe ich alte Burdas durchgeblättert. Ein Thema ist seit den 60ern bis weit in die 80er immer wieder präsent: Gobelinstickereien.

Kennt ihr jemanden, der das heute noch macht? Ich nicht.
Zwar scheint das Thema nicht ganz ausgestorben zu sein wie Constanze auf der H+H beobachtet hat. Aber mit Kreativität hat nicht so viel zu tun und zeitgemäß sind die meisten Motive auch nicht.

Auch hier im Haus finden sich als Familienerbe einige gruselige Gobelins mit ländlichen Motiven. Einfach wegschmeißen konnte ich das nie, da steckt einfach zu viel Arbeit eines lieben Menschen drin.

Inspiriert durch eine Überdosis "Project Runway" in den Osterferien wollte ich auch gern "unconvenitional materials" verarbeiten und dazu eignet sich ein seltsamer Gobelin doch prima, oder?
Da ich aber nicht nur auf Bühnenwirksamkeit aus bin habe ich erst ein paar Waschversuche gemacht- mit ziemlich ernüchterndem Ergebnis. Schräg geschnitten wie bei der Blüte geht gar nicht, das schaut nach der Wäsche ziemlich räudig aus. 
Mit dem Fadenlauf das Stramins geschnitten und mit der Overlock versäubert funktioniert das Applizieren aber ganz gut:


Ich habe dann eine Weste zugeschnitten, einen altbewährten Schnitt eines Kleidungsstückes, das ich in den letzten Wochen wieder sehr gern getragen habe.


Langwierig war dann das Layout der versäuberten Patches: Ich habe immer mal wieder anders arrangiert, korrigiert und Dinge wie den Streifen am Reißverschluss dann doch wieder verworfen. Aber irgendwann muss man sich auch mal entscheiden, zumal es dann schon Freitagnacht war......



Der Stoffrest ist aus Wolle und stammt noch aus meiner Zeit im Giesswein-Atelier, er dürfte also etwa 25 Jahre alt sein. Der Gobelin ist noch älter und den Zweiwege-Reißverschluss habe vor ewigen Zeiten aus einer Strickjacke herausgetrennt. 
Hach, solche Projekte sind so befreiend.

Gestern habe ich dann die Weste genäht, fotografiert und gleich getragen.
Das Layout erinnert mich jetzt irgendwie an die Petersburger Hängung, das ist mir aber gerade eben erst auf den Bildern aufgefallen.


Das hat wieder viel Spaß gemacht, ohne den monatlichen Stoffspielereien-Termin hätte ich das wohl nicht so genäht. Suschna sammelt heute alle Beiträge, vielen Dank für die Anregung!

Im Mai werde ich Gastgeberin ein, die Inspiration soll diesmal von einem Material kommen: Denim.
Lasst euch von den vielen Jeansschattierungen zu neuen Farb- und Materialkombinationen inspirieren!

17 Kommentare:

  1. Liebe Martina,,
    das finde ich ganz klasse! Ganz mutig. Und einfach toll geworden!
    LG
    Valomea

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  2. Da hast du das Thema ja gut umgesetzt. Ich kann auch nur schlecht wegwerfen und recycle total gerne. Deine Weste ist ein echter Hingucker geworden. LG Ute

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  3. Wow, das Endergebnis ist einfach wunderschön! Toller Einfall!
    LG Petra

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  4. Was für eine ausgefallene Idee! Das ist jetzt ein einzigartiges Stück geworden, auf das du sicherlich häufig angesprochen werden wirst.
    LG
    Siebensachen

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  5. Die Weste ist ein Unikat und gut gelungen! Richtig mutig, in so ein Stück hineinzuschneiden.
    Liebe Grüße
    Annelies

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  6. Die Verwendung kleiner Flächen hat was von einem gepixelten Zoom.
    Bei Patchwork wird empfohlen, Stoffe, die man nicht mag ganz klein zu stückeln. Wie man bei Dir sieht funktioniert das vielfältig, nun sind es kleine grafische Ausschnitte.
    Eine spanende Methode mit viel Potential.
    LG Ute

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  7. Super Idee - es erinnert mich an so Mosaikbögen in der Türkei, die dort vor Moscheen zu den Brunnen führen. Oft mit Kachelmustern und eben nicht aneinander, sondern auseinander liegend. Sieht prima aus und steht dir toll. Liebe Grüße Ingrid

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  8. Das ist ja ein herrlich verrücktes Projekt.Und du hast das sehr modern gelöst.Für deinen Taschen lassen sich die verblieben Patches icher auch noch gut verwenden.
    Wahrscheinlich war dieses sticken ein meditatives Arbeiten, weil man nicht viel überlegen muß, alles ist vorgegeben. heuet wohl nicht mehr der Renner, dennn es dauert trotzdem lange. Heute soll immer alles ratz-fatz fertig sein.
    Habe dich beim Wort genommen und probiert!
    liebe Grüße Karen
    Dein Dutt ist sehr schick!

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  9. Ha, eine Weste mit Petersburger Hängung, die hat niemand, da gibt es viel zu entdecken und reichlich Gesprächsstoff, bestimmt. Ich habe auch gleich an Pixel und an Mosaik gedacht - man könnte ja im Prinzip auch versuchen, alles Kante an Kante wie ein Mosaik neu zusammenzusetzen.
    Andererseits sind diese alten "spießigen" Gobelinstickereien hier in Berliner Szene-Boutiquen auch beliebt, und zwar z.B. als Taschen verarbeitet. Als Kissen habe ich sie auch schon gesehen, dann aber mit nachträglichen Eingriffen, wie z.B. Applikationen, die alles surrealistisch machen. Wer weiß, auf einem Berliner Flohmarkt werden solchen Dachbodenfunde (unzerschnippelt :)) vielleicht inzwischen schon hoch gehandelt.

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  10. Wenn es nicht festgenäht wäre, wäre die Versuchung wahrscheinlich groß, das Puzzle wieder zusammen zu setzen. Apropos Puzzle: vielleicht hätte diese Stickerei früher einen ähnlichen Zweck: völlig sinnfreier, entspannender Zeitvertreib. Heutzutage hat man dafür Internet. LG Christa

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  11. Davon habe ich auch noch zwei Rumliegen - vll vernähe ich sie als Täschlein, mal sehen.
    Deine Verwendung finde ich aber auch sehr interessant! Gerade die geteilten Stücke am Reißverschluss gefallen wir graphisch sehr gut.

    Danke fürs Zeigen und ich bin schon auf die nächste Runde Stoffspielerei gespannt. Meine zwei Stapel alter Jeanshosen von etlichen Leuten möchte doch auch endlich vernäht werden. Entweder ich bin dann mit dabei oder ich kriege durch den Input von allen Stoffspielereinäherinnen endlich was zustande.

    Liebe Grüße,
    Maria

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  12. Herrlich geworden! Und die einzelnen Stücke statt eines langes Streifens vorne am Reißverschluss gefallen mir besser.
    Bei uns finden sich leider keine alten Stickereien mehr - ich denke, hier wurde eher zweckmäßig gestrickt (Socken, Jacken, etc.). Hier im süddeutschen Raum finden sich ja eh wenig künstlerisch angehauchte Handarbeiten wie Kunststricken, Klöppeln oder Sticken. Da fehlte wahrschenilich in der kargen Gegend und mit vielen Kindern die Zeit und Muse für solche "unnützen" Sachen. Aber schön finde ich sie trotzdem, wenn auch nicht das Motiv, aber ich sehe die Arbeit und Mühe, die dahinter steckt. Als ich mal einen mit Monogram bestickten Stoff meiner sehr früh verstorbenen Großmutter verarbeitete, musste ich unbekannterweise an sie denken und bildete mir ein, sie würde sich mitfreuen. Daher ist Dein Verarbeiten der alten Gobelinstickerei etwas sehr Wertschätzendes!
    Liebe Grüße
    Ines

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  13. Ich gestehe, dass ich die verpixelte Optik, das Material und die Oberfläche von Gobelinstickereien sehr mag - ich habe sowas früher sogar mal gemacht, aber nicht mit Stickpackungen. Das muss ich wirklich mal zeigen. Die üblichen Spitzweg-Motive gehen im Prinzip ja gar nicht, aber mit etwas Ironie und Verfremdung können daraus schöne Sachen werden, in der Regel ist das ja sehr hochwertige Wolle. Du bist mit der Weste also wirklich im Einklang mit Berliner Szeneboutiquenströmungen, wie Suschna schon sagte. Vielleicht könnte man Gobelins auch zerschneiden und wieder anders zusammensetzen bzw. ein Patchwork aus mehreren zerschnittenen Gobelins machen? Mit beschädigten Orientteppichen wird das zur Zeit ja auch gemacht.

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  14. Als ich angefangen hab, deinen Beitrag zu lesen, war ich ein wenig empört, dass du einfach einen Gobelin zerschneidest, auch wenn ich dir natürlich recht geben muss, dass die Motive alles andere als Zeitgemäß sind. Trotzdem wurde mir beigebracht, dass es Kunstwerke sind, die man zu respektieren hat.
    Allerdings muss ich sagen, dass sich das Ergebnis wirklich sehen lassen kann. Vermutlich bekommen sie so wesentlich mehr Geltung, als würden sie nur irgendwo im Schrank/Dachboden/Keller zustauben.
    Es gab übrigens auch mal ein paar wirklich moderne Motive. Ich hatte als Kind ein Bild mit 3 Papageien gestickt. Da waren die Papageien aber nicht so realistisch, sondern mehr so im Comic-Stil. Für damalige Verhältnisse schon fast ein Skandal. Leider hat sich diese Richtung nicht durchgesetzt, sonst würde ich das vielleicht heute noch machen. Das hatte was schön entspannendes. Einfach nicht nachdenken müssen, weil alles vorgezeichnet war. Tja, seitdem stricke ich eben Socken zur Entspannung. Da brauche ich auch nicht viel nachdenken und die Leute freuen sich wirklich, wenn ich sie verschenke. Über die Gobelin-Bilder haben sich nur meine Omas gefreut.

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  15. DOCH! Ich kenne jemanden der es macht. Meine Tante hat mir sämtliche Stickgarnvorräte entwendet und versinkt jetzt freudig im Goblinisieren. Meine Tante ist in drei GEneration die einzig andwerkliche Null. Und jetzt mit 65 Jahren hat sie ein Kreativbeschäftigung für sich entdeckt :-)

    Grandios deine Idee - und die Umsetzung!!!

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  16. Was du wieder irres machst.... und was mach ich mit einem handbestickten Geschirrhandtuchvorhang?
    LG Sabine

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  17. Du bist wirklich unglaublich!! Toll! Das ist Machwerk vom Feinsten. Die Idee... die Umsetzung... genial!
    Alles, Altbackenes ... wird zu neuem Leben erweckt. "Einfach" ein neues Auge auf die Dinge werfen und sie wieder ins Leben zurückholen.
    Sehr gelungen! liebe Grüße von Ellen

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